Materialien
Rezensionen
LICHTENBERGER, Elisabeth: Österreich. Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Darmstadt 1997, XXIII + 387 Seiten. Mit 79 Figuren, 20 Karten, 119 Bildern
und 75 Tabellen. Preis: 621,- Schilling
Fast sechzig Jahre nach dem Erscheinen von Norbert Krebs "Die Ostalpen
und das heutige Österreich" liegt nun wieder eine wissenschaftliche
Länderkunde Österreichs vor. Das von der emeritierten Ordinaria
unter Mitarbeit von Univ. Prof. Heinz Faßmann verfaßte Werk
bietet auf knapp 400 Seiten einen fakten- und materialreichen Überblick
über Österreich.
Ein einleitendes Kapitel beschäftigt sich mit der Geschichte Österreichs
und erläutert, welche Spuren der Vergangenheit - von der Persistenz
von Siedlungsstandorten und Verkehrswegen bis hin zum baulichen und ökonomischen
Erbe der Monarchie - noch im zeitgenössischen Kontext von Raum und
Gesellschaft vorhanden sind.
Das Kapitel "Die politische Landkarte" setzt Grundkenntnisse
des politischen Systems Österreichs als bekannt voraus und behandelt
das politische System ausschließlich unter räumlichen Aspekten
(wie Föderalismus versus Zentralismus, primate city versus Kleingemeinden
des ländlichen Raums). Es ist m.E. auch eine etwas zu persönlich
geratene mental map der Autorin. (Ein Beispiel: "Einen unsichtbaren
Teilhaber an der Regierung bildet nach wie vor der straff zentralistisch
organisierte Gewerkschaftsbund ..." (S. 41) - die "unsichtbare
Regierungsarbeit" von BWK und VÖI bleibt hingegen unerwähnt).
Im folgenden Kapitel wird die demographische Entwicklung und der gesellschaftliche
Wandel Österreichs in der Nachkriegszeit behandelt. Ausführungen
zur Minderheitenproblematik bzw. zu den österreichischen Volksgruppen
sucht man leider vergeblich. Sehr komprimiert wird der Naturraum dargestellt:
Gemäß der Grundthese der Autorin, daß "die Alpen
[...] das Wasserschloß für die Elektrizitätswirtschaft
und [...] die Aussichtsterrasse für die europäische Freizeitgesellschaft
[sind]", werden diese ausführlicher erläutert, während
die anderen Großlandschaften nur en passant betrachtet werden.
Bei der Behandlung des ländlichen Raumes wird neben der Darstellung
des Strukturwandels in der Nachkriegszeit auch sehr ausführlich auf
"Das Bergbauernproblem in den österreichischen Alpen" eingegangen.
Die Ausführungen decken sich weitgehend mit dem gleichnamigen Aufsatz
der Autorin in der Zeitschrift Erdkunde Heft 1/1965. Nur eineinhalb Seiten
sind hingegen der Darstellung der österreichischen Agrarpolitik gewidmet.
Die Auswirkungen des EU-Beitritts auf die Landwirtschaft werden hier und
auch weiter hinten im Kapitel "Programmierte und ungewisse Zukunft"
nur kurz angerissen'. Hier hätte man sich als GW-Lehrer eine
ausführlichere Darstellung erwartet. Sehr instruktiv sind die Ausführungen
zum Thema "Tourismus und Freizeitgesellschaft": Behandelt werden
die Entwicklung und die Besonderheiten des österreichischen Fremdenverkehrs
bis hin zur aktuellen Tourismuskrise.
Die Entwicklung des Siedlungssystems und der Metropole Wien bilden den
Schwerpunkt des Abschnitts "Stadt und Umland". Vergleichsweise
breiter Raum wird auch den historischen Siedlungsformen und dem kulturhistorischen
Erbe der österreichischen Städte gewidmet.
Für den schulischen Gebrauch besonders interessant sind die drei
letzten Großkapitel, die sich der Ökonomie und dem Verkehrswesen,
der "programmierte und ungewisse Zukunft" Österreichs sowie
der Stellung Österreichs in Europa widmen. Vergleichsweise stiefmütterlich
wird m. E. leider - wie in vielen Länderkunden - die Industrie behandelt.
Von besonders hohem Gebrauchswert sind die Ausführungen zum tertiären
Sektor und zum zentralörtlichen System Österreichs. Anhand einer
Analyse der "Filialisierung im Einzelhandel" und der Einzugsbereiche
und Standortmuster der Spitäler entwirft die Autorin ein moderne
Systematik des zentralörtlichen Systems in Österreichs. (Die
aus den siebziger Jahren stammende Untersuchung von Bobek und Fesl, auf
die sich die Schulbücher auch heute noch beziehen, ist ja mittlerweile
nicht mehr ganz up to date). Eine ausführliche Darstellung der Autorin
zu diesem Thema findet der interessierte Leser in Band 138 der MÖGG.
Fazit: Ein fakten- und materialreiches Werk mit zahlreichen kopierfähigen
Graphiken und Kartogrammen. Es sollte in keiner Schulbibliothek fehlen.
Kurt Trinko
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